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Apotheken-Nachrichten von heute: Risikostrukturen ignoriert, Apothekensicherheit destabilisiert, Standortfaktoren unterschätzt

Warum selektive Förderpolitik Haftungslücken reißt, digitale Sicherheitsarchitektur ein Umdenken fordert und Kapitalflucht den Pharmastandort aushöhlt

(PresseBox) (Karlsruhe, )
Was als gezielte Stabilisierung ländlicher Apotheken geplant ist, erzeugt aus Sicht professioneller Risikomanager neue Unsicherheiten: Die geplanten Fixzuschläge destabilisieren nicht nur die Gleichbehandlung unter Betrieben, sondern verschärfen die Versicherungslogik und führen zu regionalen Haftungslücken, die langfristig nicht mehr kalkulierbar sind, während parallel digitale Angriffsflächen wachsen, apothekeninterne Schulungsstrukturen fehlen und regulatorische Anforderungen an Technik, Personal und Dokumentation steigen, ohne dass eine integrierte Sicherheitsarchitektur mitgedacht wird, sodass sich nicht nur Versicherer wie Aporisk, sondern auch Branchenanalysten und Apothekerinnen und Apotheker selbst fragen, ob selektive Förderansätze ohne ein systemisches Risikokonzept überhaupt tragfähig sein können, während in anderen Teilen des Systems Medikamente immer öfter als Ersatz für Pflege eingesetzt werden, wie die AOK-Zahlen zur Benzodiazepinvergabe in Heimen offenlegen, Krankenkassen finanzielle Stabilität nur durch Beitragsanhebungen simulieren, der Pharmastandort Deutschland Investoren verliert, Chargenübermittlung im E-Rezept-Bereich auf eine Deadline zusteuert und Apothekenteams zwischen Medikationsfehlern, Spontanberichten und Lagerengpässen weiterhin den letzten Schutzwall der Versorgung bilden.

Fixzuschläge destabilisieren Sicherheitsarchitektur, Förderpolitik ignoriert Risikomechanik, Versicherbarkeit wird zum blinden Fleck

Warum die geplante Apothekenbevorzugung systemisch unsicher ist, Aporisk vor unkontrollierbaren Haftungsfolgen warnt und Versorgung nicht ohne Risikostrategie funktionieren kann

Was die Bundesregierung als Instrument der gezielten Stärkung strukturschwacher Regionen verkauft, ist in Wahrheit ein Versuchsballon mit riskanter Sprengkraft – zumindest aus der Sicht professioneller Risikoarchitektur. Mit einem gestaffelten Fixzuschlag von 9,50 Euro für die breite Masse und bis zu 11 Euro für ausgewählte, förderungswürdige Apotheken soll die Arzneimittelversorgung im ländlichen Raum stabilisiert werden. Doch wer die betriebliche Realität kennt, weiß: Sobald Sicherheit differenziert wird, beginnt das System zu schwanken. Und genau hier setzt die Kritik von Aporisk an, einem Versicherungsmakler mit Spezialisierung auf die Absicherung pharmazeutischer Betriebe.

Der Kernvorwurf ist deutlich: Die Zuschlagspolitik der Bundesregierung blendet aus, wie Versicherbarkeit funktioniert. Apotheken sind nicht nur Teil der Gesundheitsinfrastruktur – sie sind zugleich haftungssensitive Betriebe mit zahlreichen Schadensrisiken: Rezeptfehler, Kühlkettenprobleme, Cyberattacken, Arzneimittelfälschungen, Personalengpässe, Gebäudeschäden, Lieferausfälle. Jedes dieser Risiken verlangt nach klar definierter betrieblicher Stabilität. Doch genau diese Grundlage wird durch eine Politik unterminiert, die Zuschläge nach unscharfen Kriterien verteilt – mit Folgen, die tief in die Versicherungslogik eingreifen.

Denn was passiert, wenn Förderkriterien unklar sind, sich jährlich ändern oder durch politische Einflussnahme umdefiniert werden? Der Versicherungsschutz – ob Betriebsausfall, Rechtsschutz oder Geschäftsunterbrechung – basiert auf belastbaren Geschäftsmodellen. Ein plötzlich entfallender Zuschlag kann nicht nur das Eigenkapital schmälern, sondern einen versicherten Schaden auslösen – etwa durch Betriebsaufgabe, Personalabbau oder Zahlungsausfall. Aporisk spricht in diesem Zusammenhang von „politisch induzierten Risikoverwerfungen“, die sich nicht wie klassische Marktrisiken versichern lassen.

Besonders prekär: Apotheken, die auf Grundlage der Förderlogik investiert, expandiert oder Personal aufgebaut haben, stehen ohne Rückversicherung da, wenn die Basis für ihren erweiterten Fixzuschlag wegfällt. Wurde die Apotheke in der Hoffnung auf Zuschlagsklassifizierung in eine Grenzregion verlegt, droht später ein Kaskadenverlust – wirtschaftlich, juristisch, versicherungstechnisch. Die scheinbare Förderung wird zur betrieblichen Fessel.

Noch schwerer wiegt der strategische Vertrauensverlust: Wenn die Branche erkennt, dass betriebliche Sicherheit an politischer Beliebigkeit hängt, erodiert der Wille zur Neugründung – gerade in ohnehin unterversorgten Regionen. Junge Inhaber, Nachfolgende oder Investorengruppen meiden zunehmend Standorte, deren Finanzierungsbasis von Zuschlagsentscheidungen abhängt. Aporisk registriert bereits einen deutlichen Anstieg an Risikobewertungen mit dem Faktor „politisch volatiler Honorarrahmen“ – ein Kriterium, das früher kaum Gewicht hatte, heute aber bei Policenerstellung und Risikoprüfung eine zentrale Rolle spielt.

Die implizite Gefahr: Wer heute für 11 Euro pro Rezept arbeitet, könnte morgen bei Entzug des Zuschlags mit seinem gesamten Betrieb unter die Rentabilitätsgrenze rutschen – ohne dass sich am Arbeitsaufwand, der Personallage oder der Versorgungslage etwas geändert hätte. Die Versicherung schützt nicht gegen politische Umdeutungen. Aporisk sieht deshalb in der aktuellen Debatte einen grundsätzlichen Fehler: Versorgungssicherheit darf nicht als Zuschlagsfrage behandelt werden – sie muss systemisch garantiert, gesetzlich abgesichert und in die Risikostruktur integrierbar sein.

Auch aus haftungsrechtlicher Sicht ist der Kurs der Regierung kritisch. Sobald Förderzuschläge als Kriterium in Vertragswerke – etwa mit Hausärzten, Kommunen oder Lieferdiensten – aufgenommen werden, entsteht eine Erwartungsverpflichtung, die bei Wegfall juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen kann. Wer eine Apotheke auf der Grundlage einer öffentlich angekündigten Förderung betreibt, übernimmt Verantwortung auf Basis staatlicher Zusagen. Kommt es hier zu Förderentzug oder Fehleinschätzungen, drohen Regressforderungen. Versicherer jedoch sichern keine politischen Willenserklärungen ab – sie kalkulieren mit Fakten, nicht mit Absichtserklärungen.

Aporisk fordert daher eine vollständige Neujustierung der Förderstrategie. Statt selektiver Zuschläge brauche es ein einheitliches, dynamisches Honorar, das alle Apotheken strukturell absichert – unabhängig von Standort oder Förderstatus. Nur ein System, das auf Stabilität und Gleichbehandlung basiert, kann versichert, kalkuliert und verantwortet werden. Alles andere ist Symbolpolitik mit ernsten Kollateralschäden.

Für Apotheken bedeutet das: Vorsicht vor kalkulatorischer Kurzsichtigkeit. Eine temporäre Förderung mag attraktiv erscheinen – doch wer seine Betriebsplanung daran ausrichtet, riskiert, in eine Absicherungslücke zu geraten, aus der es im Ernstfall kein Zurück mehr gibt. Sicherheit beginnt nicht mit mehr Geld, sondern mit klaren Regeln. Und diese müssen so definiert sein, dass Versicherer sie tragen – und Betriebe ihnen vertrauen können.

Schwachstelle Mensch, Angriffspunkt Technik, Verteidigung durch Vertrauen

Wie Apotheken im digitalen Zeitalter Sicherheitslücken schließen, Mitarbeitende stärken und ihre Schutzarchitektur ganzheitlich neu denken

Es sind nicht mehr nur Einbruch, Diebstahl oder Rezeptfälschung, die Apotheken gefährden. Wer heute eine Apotheke betreibt, steht im Fadenkreuz wachsender digitaler Angriffe, technischer Ausfälle, rechtlicher Risiken und einer neuen Öffentlichkeitserwartung. Was früher mit einer stabilen Eingangstür, einer stillen Alarmanlage und einem Tresenaufbau als abgeschlossen galt, ist heute ein komplexes Geflecht aus IT-Schutz, regulatorischem Pflichtbewusstsein, interner Schulung, externer Kooperation – und der Bereitschaft, aus Vorfällen zu lernen. Sicherheit in Apotheken ist zu einem eigenständigen Managementbereich geworden, der sich nicht mehr in Brandschutz, Kameraüberwachung oder Passwörtern erschöpfen kann.

Die strukturelle Herausforderung liegt dabei in der Gleichzeitigkeit physischer und digitaler Risiken. Während das klassische Bedrohungsszenario – etwa nächtliche Einbrüche durch rückwärtige Lagertüren – weiterhin real ist, verlagert sich die strategische Gefährdung in Richtung digitaler Systeme. Ransomware-Attacken auf Apothekensoftware, gezieltes Phishing bei Rezeptabrechnungen, das Ausspähen von Versichertendaten oder die Sabotage über das TI-Netzwerk sind keine Szenarien aus der Zukunft, sondern dokumentierte Realität. Betroffen sind nicht nur große Apothekenzentren oder Heimversorger, sondern zunehmend auch klassische Einzelapotheken – gerade dort, wo Ressourcen für eigene IT-Abteilungen fehlen.

Die paradoxe Situation: Der Fortschritt, der Apotheken effizienter und patientennäher machen soll – E-Rezept, ePA, digitale Medikationspläne, pharmazeutische Dienstleistungen per App – eröffnet gleichzeitig neue Angriffsflächen. Jede Schnittstelle, jede Anbindung, jede neue App-Funktion bringt neue potenzielle Schwachstellen mit sich. Die Verteidigung ist dabei keine rein technische Aufgabe, sondern verlangt Führung, Weitblick und eine kontinuierliche Kultur der Risikobewertung. Es genügt nicht, eine Firewall zu installieren oder das WLAN zu verschlüsseln – vielmehr geht es um eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie, die menschliche, technische und organisatorische Ebenen integriert.

Gerade der menschliche Faktor erweist sich dabei oft als neuralgischer Punkt: Unachtsamkeiten beim Umgang mit Passwörtern, veraltete Software, falsch konfigurierte Systeme oder schlicht fehlende Schulung der Mitarbeitenden eröffnen oft erst die Tür für Angriffe. Die IT-Sicherheit von Apotheken steht und fällt mit der Sensibilisierung der Belegschaft. Hier beginnt Sicherheitsführung: Wer sein Team nicht konsequent aufklärt, regelmäßig schult und aktiv in Sicherheitsfragen einbindet, läuft Gefahr, im entscheidenden Moment verwundbar zu sein. Sicherheit ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Haltung. Die Bereitschaft, auch unbequeme Fragen zu stellen – etwa nach internen Verantwortlichkeiten, Notfallplänen oder Fehlverhalten –, gehört zum Pflichtprogramm einer jeden Apothekenleitung.

Ebenso entscheidend: die bauliche und technische Ausstattung. Moderne Apotheken setzen auf widerstandsfähige Schließsysteme, vandalismussichere Eingangszonen, Notstromversorgung, temperaturgeführte Sicherheitsbereiche für Kühlware und intelligente Videoanalyse. Doch auch hier gilt: Kein System ersetzt den menschlichen Blick. Wer seine Sicherheitsarchitektur plant, muss den Angreifer mitdenken – von außen wie von innen. Die Verbindung aus „Crime Prevention through Environmental Design“ (CPTED), also vorbeugender baulicher Sicherheit, und digitaler Absicherung bildet die Basis moderner Schutzkonzepte.

Auf einer dritten Ebene zeigt sich: Der Schutz der Daten ist nicht nur technisches, sondern auch rechtliches Terrain. Die DSGVO hat Apotheken neue Pflichten auferlegt, insbesondere im Umgang mit Gesundheitsdaten, bei der Nutzung von Cloud-Systemen und bei der Dokumentation von Einwilligungen. Doch rechtliche Compliance ist nur die formale Seite. Wer Datenschutz richtig denkt, versteht ihn als Teil der Vertrauensbildung – und damit als Voraussetzung für jede nachhaltige Kundenbeziehung. Eine Apotheke, die offen kommuniziert, wie sie Daten schützt, wie lange sie diese aufbewahrt und wer Zugriff hat, verschafft sich einen entscheidenden Vertrauensvorsprung in einem Markt, der von Unsicherheit geprägt ist.

Zur vollständigen Sicherheitsarchitektur gehört auch die Einbindung externer Akteure. Kooperationen mit spezialisierten Sicherheitsfirmen, enge Kontakte zu Polizeiinspektionen, Lageanalysen zur lokalen Kriminalitätsentwicklung, Planspiele mit Feuerwehr oder Katastrophenschutz sind keine Extravaganzen, sondern strategische Notwendigkeiten. Ebenso sinnvoll ist der Austausch mit anderen Apotheken – ob über lokale Verbände oder informelle Netzwerke. Sicherheitswissen ist im Gesundheitswesen noch immer zu wenig geteilt. Wer hier aus der Konkurrenz in die Kooperation geht, schafft kollektive Resilienz.

Nicht zuletzt ist auch die Frage der finanziellen Absicherung entscheidend. Klassische Berufshaftpflichtversicherungen greifen oft nicht bei den neuen Gefährdungslagen. Ob Datenverlust, Betriebsunterbrechung, Imageschaden oder Haftungsfälle bei Impfungen und pDL: Apotheken brauchen eine Sicherheitsstrategie, die auch in Versicherungsfragen auf der Höhe der Zeit ist. Spezialpolicen für Cybervorfälle, modulare Deckungskonzepte, regelmäßige Risikoevaluierungen und abgestimmte Versicherungswerte auf aktuelle Betriebsgrößen gehören heute zum Pflichtprogramm jeder Apothekenführung.

Letztlich aber bleibt Sicherheit ein Prozess. Wer heute eine gute Lösung gefunden hat, muss sie morgen schon anpassen. Die Dynamik der Bedrohungen zwingt zum Wandel – aber auch zur Offenheit. Denn jede Sicherheitsstrategie, die nicht regelmäßig geprüft, hinterfragt und nachjustiert wird, verliert schneller als sie gedacht war ihre Wirksamkeit. Und je mehr Apotheken hier proaktiv handeln – organisatorisch, technisch, personell –, desto stärker wird das öffentliche Bild der Apotheke als verlässliche, moderne und verantwortungsvolle Gesundheitseinrichtung. Ein Image, das nicht nur schützt, sondern auch Zukunft schafft.

Pflegekräfte fehlen, Medikamente ersetzen Nähe, Patientenschutz zerbricht

Wie Heimbewohner mit Sedativa ruhiggestellt werden, warum Pflege zur pharmakologischen Notlösung wird und was die AOK-Zahlen über Systemversagen verraten

Wenn Medikamente beginnen, menschliche Zuwendung zu ersetzen, ist nicht nur etwas aus dem Gleichgewicht geraten – es liegt ein ethischer Notstand vor. In deutschen Pflegeheimen scheint genau dieser Punkt erreicht zu sein. Der neue Qualitätsatlas Pflege der AOK offenbart, was lange nur befürchtet wurde: Pflegebedürftige werden systematisch mit Sedativa ruhiggestellt – nicht in Ausnahmen, sondern in tausendfacher Praxis. Jeder 14. Bewohner bundesweit erhält demnach dauerhaft Benzodiazepine, deren pharmakologischer Nutzen nach wenigen Wochen verpufft, deren Risiken aber dauerhaft wirken – von kognitiver Abflachung über Sturzgefahr bis hin zur Abhängigkeit.

Besonders gravierend erscheint die Situation in Mecklenburg-Vorpommern, wo 4,6 Prozent aller Pflegeheimbewohner eine Dauerverschreibung dieser Stoffgruppen erhalten. Hinter dieser nüchternen Zahl steht ein dramatischer Pflegenotstand: Die Medikamente werden dort eingesetzt, wo menschliche Betreuung ausfällt – weil das Personal fehlt, überfordert ist oder unter systemischen Druck gerät. Dass diese Praxis inzwischen zu den häufigsten inadäquaten Verordnungen im geriatrischen Bereich zählt, bestätigt auch Susann Behrendt vom Wissenschaftlichen Institut der AOK. Die Gabe von Beruhigungsmitteln in der stationären Altenpflege ist damit nicht länger ein medizinisches Randphänomen – sondern ein Indikator strukturellen Versagens.

Die stillgestellte Altenpflege hat viele Gesichter: Schlafmittel zur Nacht, angstlösende Mittel zur Beruhigung, psychotrope Substanzen als Alltagsbegleiter. Was kurzfristig wie eine Erleichterung wirken mag – für Pflegekräfte, Angehörige und vielleicht sogar für die Bewohner selbst –, ist langfristig eine gefährliche Routine. Denn mit jedem Tag pharmakologischer Ruhigstellung schwindet nicht nur das Potenzial zur sozialen Interaktion, sondern auch der medizinische Überblick: Ängste, Depressionen, körperliche Verschlechterungen – sie verschwimmen im Nebenwirkungsnebel. Die Grenze zwischen Hilfe und Missbrauch wird aufgelöst, wenn die Versorgung nicht mehr von medizinischer Indikation, sondern vom Zeitbudget bestimmt wird.

Dass es auch anders geht, zeigen die Detaildaten aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort ist die Quote schwerer Stürze mit Krankenhausfolge mit 13 Prozent deutlich niedriger als im Bundesdurchschnitt (16,2 Prozent). Auch bei der Prävalenz von Dekubitusfällen – einem weiteren Indikator für Pflegequalität – liegt das Land mit 11,3 Prozent unter dem bundesweiten Wert von 12,5 Prozent. Doch innerhalb des Bundeslandes zeigen sich eklatante Unterschiede: Während in der Mecklenburgischen Seenplatte nur 9,2 Prozent der Bewohner von Druckgeschwüren betroffen sind, steigt dieser Wert in der Landeshauptstadt Schwerin auf alarmierende 15,1 Prozent. Diese Spannbreite ist kein Zufall, sondern verweist auf massive Disparitäten bei Ressourcenverteilung, Personalpolitik und Pflegekultur.

Neben Sedativa und Stürzen offenbart der AOK-Report noch ein weiteres Versorgungsdefizit – mit womöglich langfristig verheerenden Folgen: Die augenärztliche Vorsorge bei Diabetikern. In MV erhielten im Jahr 2023 rund 76 Prozent der pflegebedürftigen Diabetiker keine entsprechende Kontrolle. Bundesweit liegt die Quote sogar bei 79,2 Prozent. Angesichts der bekannten Risiken – Netzhautschädigung, Sehverlust, irreversible Blindheit – ist diese Vernachlässigung nicht weniger als ein Skandal. Dass medizinische Leitlinien hier ausdrücklich zu regelmäßiger Überprüfung mahnen, zeigt: Es fehlt nicht am Wissen, sondern an der Umsetzung.

Die strukturelle Ursache ist auch hier dieselbe: zu wenig Fachpersonal, zu wenig Zeit, zu wenig Koordination. Wo keine Kapazitäten für interdisziplinäre Zusammenarbeit vorhanden sind, bleibt Prävention Wunschdenken. Die Tatsache, dass in vielen Pflegeeinrichtungen der Alltag durch chronische Unterbesetzung geprägt ist, zwingt zu Priorisierung – oft zulasten jener Leistungen, die keine akuten Symptome lindern, aber langfristig Gesundheit sichern würden.

Was bleibt, ist ein System, das pflegt, ohne zu schützen, das behandelt, ohne zu begleiten. Ein System, das durch ökonomischen Druck und politischen Stillstand gezwungen ist, an Symptomen zu arbeiten, statt Ursachen zu beseitigen. Und ein System, in dem Medikamente mehr und mehr als Ersatzhandlungen dienen – für Berührung, für Gespräche, für Zuwendung. Die Versorgungsrealität in Deutschlands Heimen ist damit zum seismographischen Spiegel eines überforderten Gesundheitswesens geworden. Wer heute auf Pflege angewiesen ist, muss nicht nur hoffen, sondern Glück haben: auf genug Personal, auf ausreichend Betreuung, auf Medikamente, die helfen statt betäuben.

Was sich daraus ergibt, ist eine doppelte Verpflichtung: politisch wie professionell. Politisch, weil ein Systemversagen nicht durch bessere Statistik, sondern nur durch strukturelle Reform heilbar ist. Und professionell, weil Pflegekräfte täglich an der Front dieses Dilemmas arbeiten – oft gegen ihre Überzeugung, gegen ihre ethischen Maßstäbe. Der Ruf nach mehr Personal, besserer Ausstattung und klaren Medikationsrichtlinien ist kein Ruf nach Komfort, sondern nach Menschenwürde.

Immunlogik verändert Krebsstrategie, Milliardenbündnis verändert Marktordnung, BioNTech verändert sich selbst

Warum BNT327 zum politischen und kommerziellen Wendepunkt wird, wie Bristol Myers Squibb und BioNTech eine neue Wirkstoffära einläuten und was das für globale Zulassungsprozesse bedeutet

Es ist nicht nur ein Milliardenvertrag, sondern ein strategisches Signal: BioNTech, einst durch seine mRNA-Pionierarbeit weltbekannt geworden, verankert sich mit der Substanz BNT327 in einer neuen Realität – der immunologischen Tumortherapie im Verbund mit einem der weltweit einflussreichsten Pharmakonzerne. Mit dem am 3. Juni offiziell gemeldeten Schulterschluss zwischen BioNTech und Bristol Myers Squibb wird mehr als nur ein neuer Wirkstoff finanziert. Es geht um eine Neuausrichtung der Kräfteverhältnisse auf dem globalen Onkologiemarkt, eine Friktionszone zwischen Forschung, Regulierung, Kommerzialisierung und medizinischem Fortschritt – und um einen Wirkstoff, der in seinem Wirkmechanismus die klassische Immununterdrückung durch Tumoren ins Visier nimmt.

BNT327 ist nicht irgendein Kandidat, sondern ein strukturdefinierter Antikörper, der sich gegen die sogenannte Siglec-15-Struktur richtet – ein Zielmolekül, das eine zentrale Rolle bei der Immunevasion verschiedener Tumorarten spielt. Indem es die Immunantwort blockiert, schützt es den Tumor vor zellulären Abwehrmechanismen. BioNTech will mit BNT327 genau diesen Mechanismus umkehren. Die Logik dahinter ist einfach, aber biotechnologisch komplex: Tumore sollen enttarnt, ihre immunologische Tarnkappe deaktiviert und damit erneut dem Immunsystem ausgesetzt werden. Dass Bristol Myers Squibb dieses Projekt nun mit 3,5 Milliarden US-Dollar ohne Vorbedingungen finanziert, unterstreicht nicht nur das Vertrauen in den therapeutischen Wert – sondern markiert einen systemischen Wechsel im Umgang mit Hochrisikoprojekten in der Onkologie.

Denn was in den vergangenen Jahren vor allem über Risikoabsicherung, forschungsbedingte Meilensteinzahlungen und Post-Zulassungsboni strukturiert wurde, wird hier umgekehrt: Die Zahlung ist nicht erfolgsabhängig. Bereits im zweiten Quartal dieses Jahres fließen 1,5 Milliarden US-Dollar vorab an BioNTech. Bis 2028 sind weitere zwei Milliarden fest zugesagt. Diese bedingungslose Vorfinanzierung gilt in der Branche als selten – sie signalisiert nicht nur wirtschaftliche Schlagkraft, sondern auch strategisches Vertrauen in die Zielstruktur, die klinische Logik und das regulatorische Potenzial des Antikörpers. Darüber hinaus kann BioNTech – bei Erfolg – zusätzliche 7,6 Milliarden erhalten, sollten definierte Entwicklungs-, Zulassungs- oder Vermarktungsmeilensteine erreicht werden.

Entscheidend ist dabei die Funktionalität der Partnerschaft: Beide Unternehmen wollen Entwicklungskosten für klinische Studien hälftig teilen – und Gewinne ebenso wie Verluste gemeinsam tragen. Für BioNTech bedeutet das nicht nur ein Ausbau der Forschungsallianz, sondern auch einen teilweisen Übergang vom forschungsgetriebenen Biotech-Unternehmen zum integralen Akteur in der strategischen Arzneimittelvermarktung. Parallel zur Kooperation mit Pfizer im Bereich der mRNA-Impfstoffe entsteht damit ein zweites wirtschaftliches Standbein – diesmal langfristiger, indikationsübergreifend und nicht pandemiegetrieben.

Konkret laufen aktuell Phase-3-Studien zu Lungenkrebs, eine weitere zu Brustkrebs ist für Ende des Jahres angekündigt. In beiden Indikationen zeigen präklinische Daten und erste Zwischenergebnisse eine ausgeprägte Wirkung des Antikörpers bei Tumoren, die bislang als schwer behandelbar galten – insbesondere aufgrund ihrer immunologischen Inaktivierung. Sollte BNT327 tatsächlich ein immunologisches Türöffner-Prinzip etablieren, könnte es die Grundlage einer neuen Kombinationstherapie-Generation bilden, etwa mit Checkpoint-Inhibitoren oder personalisierten mRNA-Impfstoffen. In dieser Perspektive wird auch der politische Kontext relevant: Die Zulassungsbehörden in den USA, der EU und Asien arbeiten an neuen Bewertungsverfahren für Therapien, die keine zytotoxischen Wirkmechanismen, sondern immunmodulatorische Pfade nutzen.

Interessant ist auch der Rückgriff auf die Biotheus-Akquisition. BioNTech hatte sich die Rechte an BNT327 im Rahmen der Übernahme des chinesischen Biotechnologieunternehmens gesichert – ein Schritt, der damals unter geopolitischen Vorzeichen kritisch betrachtet wurde, nun aber strategisch Früchte trägt. Die Herkunft des Wirkstoffs zeigt exemplarisch, wie globale Wertschöpfungsketten in der Onkologie verlaufen: Ideen aus China, Entwicklung aus Deutschland, Kapital und Marktzugang aus den USA – ein transnationales Modell, das auch politisch nicht ohne Reibung bleiben dürfte.

Denn mit jedem Milliardenvertrag verlagert sich auch ein Stück regulatorischer Verantwortung: Wer wird federführend für Zulassung, Nebenwirkungsmanagement und Marktbeobachtung zuständig sein? Wer entscheidet über Studienorte, Patientenzugang und priorisierte Indikationen? Und wie viel nationale Kontrolle bleibt, wenn ein global operierender Konzern wie Bristol Myers Squibb in ein ursprünglich europäisches Projekt einsteigt? Diese Fragen betreffen nicht nur die Wissenschaft, sondern zunehmend auch die Gesundheitspolitik, etwa mit Blick auf Erstattungsfähigkeit, Preisbildung und Versorgungsgerechtigkeit.

Am Ende bleibt festzuhalten: BNT327 ist mehr als nur ein Wirkstoff. Es ist ein Prüfstein für die Innovationsfähigkeit europäischer Biotechunternehmen, ein Lackmustest für das regulatorische Gleichgewicht zwischen Risiko und Chance – und ein politischer Marker für die Frage, wie viel Kontrolle über biomedizinische Schlüsseltechnologien nationale Gesundheitsysteme künftig behalten können. Dass BioNTech diesen Weg nicht allein geht, sondern mit einem wirtschaftlich und regulatorisch erfahrenen US-Konzern, ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist eine bewusste Weichenstellung – und womöglich die Voraussetzung, damit der therapeutische Anspruch von BNT327 nicht im Labor endet, sondern weltweit in der Versorgung ankommt.

Beitragsanhebungen folgen der Finanzlogik, Reformstau verstärkt das Defizit, Rücklagenpolitik erzeugt neue Instabilität

Warum die Krankenkassen 2025 schwarze Zahlen schreiben, aber keine strukturelle Entwarnung möglich ist, wie politische Eingriffe den Ausgleich torpedierten und weshalb die Versicherten trotzdem weiter belastet werden

Wenn Krankenkassen Überschüsse verbuchen, klingt das nach einem Befreiungsschlag in einem ansonsten defizitgetriebenen System. Doch wer genauer hinsieht, erkennt hinter der scheinbaren Erholung ein labiles Gleichgewicht, das durch politisch forcierte Beitragserhöhungen, systematisch geschrumpfte Rücklagen und fehlende Strukturreformen geprägt ist. Die jüngsten Zahlen zeigen: Auch wenn sich 2025 ein nominaler Überschuss abzeichnet, bleibt die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung angespannt – mit wachsenden Risiken für Beitragszahler, Leistungserbringer und die politische Steuerung gleichermaßen.

Denn die „schwarzen Zahlen“, auf die Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, bei der Tagung im brandenburgischen Kremmen verwies, basieren nicht auf einem echten Effizienzgewinn oder strukturellen Fortschritt, sondern auf einer Verdichtung kurzfristiger Reparaturmechanismen. Pfeiffer machte deutlich, dass die massiven Beitragserhöhungen – allein acht Zusatzbeitragserhöhungen bis Mai 2025, weitere sechs in Planung – notwendig wurden, um die durch politische Vorgaben abgebauten Rücklagen zumindest notdürftig wieder zu stabilisieren. Ende 2024 lagen die Rücklagen der Kassen nur noch bei sieben Prozent einer Monatsausgabe – gesetzlich vorgeschrieben wären 20 Prozent.

Die eigentliche Dramatik liegt jedoch in der Kombination aus struktureller Unterfinanzierung, wachsendem Ausgabendruck und einer Rücklagenpolitik, die seit Jahren als Finanzpuffer missbraucht wird. Die Bundesregierung hatte in den Jahren zuvor gezielt in die Rücklagen der Kassen gegriffen, um kurzfristige Stabilität im Gesundheitsfonds zu erzeugen – ohne jedoch die Kostentreiber auf Ausgabenseite wie Klinikfinanzierung, Arzneimittelpreise oder überholte Honorarsysteme anzugehen. Die Folge ist ein Zwang zur Kompensation über die Beitragsschiene, bei gleichzeitig schwindender politischer Steuerungsfähigkeit.

Dabei zeigt der Rückblick auf das GKV-Jahr 2024 die ganze Wucht dieser Entwicklung: 94 gesetzliche Krankenkassen meldeten ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro – ein Wert, der nur deshalb nicht noch höher ausfiel, weil Leistungen verschoben, Digitalausgaben gestreckt und Beitragsanpassungen antizipiert wurden. Für die Pflegeversicherung fiel die Bilanz mit einem Minus von 1,5 Milliarden Euro ebenfalls negativ aus – auch hier war 2025 eine weitere Beitragsanhebung notwendig, um das zu erwartende Minus von „nur“ 166 Millionen Euro zu erreichen. Die Stabilität wurde also auch hier teuer erkauft.

Die Folge dieser Spirale: Ein System in permanentem Reaktionsmodus, das sich finanziell kaum noch selbst trägt und politisch nicht mehr mutig gesteuert wird. Es gibt keine Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, keine Ausgabenbremse bei Arzneimitteln, keine Digitalstrategie mit Einsparwirkung, keine Strukturpolitik für sektorenübergreifende Versorgung. Stattdessen greift die Politik auf das einfachste Mittel zurück – höhere Beiträge –, was kurzfristig hilft, langfristig aber das Vertrauen in die Finanzarchitektur des Solidarsystems untergräbt.

Und das wirkt sich auf mehreren Ebenen aus. Zum einen entstehen in der Versichertengemeinschaft Verteilungskonflikte: Jüngere, Gesunde zahlen überproportional, während Hochkostenfälle die Solidargemeinschaft zunehmend unter Druck setzen. Zum anderen geraten die Krankenkassen unter politisch-finanzielle Aufsichtskontrolle, bei der nicht mehr die Sicherstellung medizinischer Versorgung im Fokus steht, sondern die Vermeidung unangenehmer Schlagzeilen. In diesem Kontext ist die Forderung Pfeiffers, „die Beitragsspirale zu durchbrechen“, kein bloßer Appell – sondern eine Mahnung an die Politik, sich nicht weiter von Reserveabbau zu Reserveabbau zu hangeln.

Die Lösung kann dabei nicht nur auf der Einnahmeseite liegen. Vielmehr braucht das GKV-System eine ehrliche Neubewertung seiner Leistungsversprechen, eine präzise Entflechtung der Sektorengrenzen, ein stärkeres Kostencontrolling bei Digital- und Innovationsprojekten sowie eine echte Strukturreform bei der Klinik- und Arzneimittelfinanzierung. Ohne diese tiefgreifenden Schritte bleibt jeder Überschuss ein Trugbild – und jeder weitere Beitragsanstieg ein Eingeständnis der Reformverweigerung.

Denn längst zeigen sich Folgeeffekte auf betriebswirtschaftlicher Ebene: Arbeitgeberverbände warnen vor Lohnnebenkostenlasten, kleinere Kassen drohen in der Beitragskonkurrenz zu verlieren, während große Kassen durch Marktmacht und Rücklagenoptimierung überproportional profitieren. Dieses Ungleichgewicht droht, die Kassenlandschaft weiter zu fragmentieren – mit Folgen für Wettbewerb, Versorgungsqualität und regionale Stabilität.

Am Ende steht eine paradoxe Situation: Die Versicherten zahlen mehr, die Kassen schreiben schwarze Zahlen – doch die Systemgesundheit bleibt fragil. Was kurzfristig wirkt wie eine Entspannung, ist in Wahrheit das Ergebnis einer Notoperation unter Druck. Und wie bei jeder Operation gilt auch hier: Die Komplikationen können später auftreten, wenn der Eingriff nicht tief genug war.

Investitionen schrumpfen, Standort schwächelt, Pharma zieht sich zurück

Warum ausländisches Kapital Deutschland meidet, welche Strukturen die Standortkrise verschärfen und wie die Arzneimittelproduktion schleichend abwandert

Die Illusion von Deutschland als stabilem Magnet für internationales Kapital bröckelt – und ausgerechnet eine der forschungsintensivsten Industrien markiert die Bruchlinie: Die Pharmaindustrie. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) schlägt Alarm. In seinem aktuellen Bericht skizziert der Verband ein dramatisches Szenario: Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in Deutschland sind in nur drei Jahren von 150 Milliarden Euro (2021) auf 43 Milliarden Euro (2024) gefallen. Ein Rückgang um fast drei Viertel – in einem Zeitraum, in dem andere Wirtschaftsräume massiv auf Innovation und Standortbindung setzen. Was auf den ersten Blick wie eine konjunkturelle Delle erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als tiefer strukturelles Problem. Die Standortbedingungen in Deutschland wirken zunehmend abstoßend, obwohl die Pharmaindustrie selbst weiterhin auf der Wunschliste globaler Investoren steht.

Bemerkenswert ist dabei das Paradox, das der vfa-Bericht offenlegt: Während die Nettozuflüsse an FDI stark gesunken sind, ist der Gesamtwert der ausländischen Beteiligungen an deutschen Unternehmen gestiegen – aktuell auf über 1,3 Billionen Euro. Diese Zahlen zeigen: Bestehende Engagements werden gehalten oder sogar ausgeweitet, neue Investitionen aber unterbleiben. Deutschland wird weniger zum Investitionsziel, mehr zum administrierten Besitzstand. Besonders gravierend zeigt sich diese Entwicklung bei neuen Produktionsanlagen und technologiegetriebener Wertschöpfung – etwa in der Wirkstoffsynthese oder Biotechnologie. Die Verlagerung eines Antibiotikaproduktionszweigs des dänischen Konzerns Xellia nach China im Mai 2024 ist hier kein Einzelfall, sondern ein schleichender Trend.

Die Bundesregierung wie auch die Europäische Union hatten in den vergangenen Monaten versucht gegenzusteuern – mit regulatorischen Erleichterungen und industriepolitischen Anreizen. Der sogenannte »Critical Medicines Act« (CMA) sollte Investitionen in die Arzneimittelproduktion und Lieferkettensicherheit fördern. Doch der Praxiseffekt bleibt gering. Denn Investitionen folgen nicht politischen Willensbekundungen, sondern standortbezogener Realität – und hier dominiert in Deutschland inzwischen Unsicherheit. Der vfa benennt die Schwachpunkte klar: eine überregulierte Förderstruktur, fehlende Innovationsanreize, schleppende Genehmigungsprozesse, hohe Steuerlast, wachsender Arbeitskräftemangel und ein zunehmend überforderter Sozialstaat, der ein investitionsfeindliches Gesamtsystem verstärkt.

Die pharmazeutische Industrie steht damit exemplarisch für eine Entwicklung, die auch andere Hochtechnologiesektoren betrifft – etwa Maschinenbau, Chemie oder Elektrotechnik. Gerade dort, wo Forschung und Entwicklung kapitalintensiv und langfristig angelegt sind, schrecken instabile Rahmenbedingungen Investoren besonders ab. Der Report verweist auf die zunehmende Bedeutung strategischer Beteiligungen: Ausländische Unternehmen kaufen gezielt kleinere Technologieunternehmen oder sichern sich Minderheitsanteile, um Zugriff auf spezifisches Know-how, Produktionsinfrastruktur oder die deutsche Wissenschaftslandschaft zu erhalten. Diese Investitionen finden nicht mehr aus Expansionsmotiven statt, sondern aus Rückzugskalkülen – als letzte Form der Standortbindung, bevor der Aufbau eigener Strukturen im Ausland beginnt.

Besonders kritisch: Der internationale Wettbewerb um Talente verschärft sich. Deutschland fällt bei der Anwerbung qualifizierter Fachkräfte systematisch zurück. Der vfa fordert daher nicht nur Investitionsförderung, sondern gezielte Programme zur Gewinnung und Integration internationaler Fachkräfte. Denn gerade in der Pharmabranche – in der die Internationalisierung der Eigentümerstruktur laut Verband bereits am weitesten fortgeschritten ist – entscheidet die Qualität des Personals über die Standortwahl. Ohne digitalisierte Verwaltung, zügige Anerkennung ausländischer Qualifikationen und gezielte Willkommenskultur könne kein nachhaltiger Aufschwung gelingen.

Auch politisch sieht der vfa dringenden Handlungsbedarf: Die Bundesregierung müsse nicht nur kurzfristige Konjunkturimpulse setzen, sondern endlich strukturelle Weichen stellen – etwa durch Steuerentlastungen, beschleunigte Genehmigungsverfahren und eine Investitionsoffensive in moderne Produktionsanlagen. Der Appell lautet unmissverständlich: Ohne mutige Reformen droht Deutschland seine Stellung als Investitionsziel endgültig zu verlieren – und damit auch seine Fähigkeit, Schlüsselindustrien wie die Pharmaforschung im eigenen Land zu halten.

Der wachsende Druck auf das deutsche Sozialsystem – das laut vfa ohnehin unter massiven Einnahmeproblemen leidet – wird durch diese Entwicklung noch verstärkt. Denn jede ausgelagerte Produktionsstätte, jede unterlassene Standortentscheidung bedeutet nicht nur verlorene Wertschöpfung, sondern auch Steuer- und Beitragsausfälle. So entsteht ein Kreislauf wachsender wirtschaftlicher Schwäche, dem die Politik bislang kaum etwas entgegensetzen konnte.

In der Summe ergibt sich ein düsteres Bild: Ein Land mit großem Potenzial, hoher Forschungsdichte und guter Infrastruktur verliert zunehmend den Anschluss – nicht, weil es an Fähigkeiten mangelt, sondern an Reformwille. Der Rückgang der FDI-Zuflüsse ist kein isoliertes Ereignis, sondern ein Symptom tiefer liegender Strukturdefizite. Die Pharmaindustrie wird so zum Seismographen eines schleichenden Standortverfalls – und möglicherweise zum ersten Sektor, der sich systematisch verabschiedet, wenn die politischen Versäumnisse nicht umgehend korrigiert werden.

Frühwarnsystem gewinnt Kontur, Versorgungsengpässe sinken, ALBVVG wartet auf Beweiskraft

Wie das BfArM digitale Prognosen gegen Arzneimittelengpässe aufbaut, warum Lieferketten robuster werden und welche Zweifel an der ALBVVG-Wirkung bleiben

Als 2023 die Versorgung mit Fiebersäften, Antibiotika und Standardarzneimitteln dramatisch einbrach, war die Diagnose schnell formuliert: Deutschlands Arzneimittelversorgung leidet an einem strukturellen Blindflug. Weder Krankenkassen noch Hersteller, weder Apotheken noch Bundesbehörden konnten verlässlich sagen, wann welche Medikamente fehlen würden – und warum. Zwei Jahre später soll nun genau diese Prognoselücke systematisch geschlossen werden: mit einem Frühwarnsystem gegen Lieferengpässe, das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entsteht und seit dem zweiten Quartal 2025 in seiner Basisversion aktiv ist. Die politische Rahmung liefert das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), das im Spätsommer 2023 verabschiedet wurde. Sein Anspruch: nicht nur kurzfristig zu reagieren, sondern vorausschauend zu handeln – mit Datensystemen, Meldepflichten, Lagerverpflichtungen und regulatorischen Eingriffen in Preis- und Rabattmechanismen.

Zentraler Hebel dieser Strategie ist die digitale Frühwarnarchitektur, die nach Angaben der Bundesregierung bis Ende 2025 mit prädiktiven Signalmechanismen ausgestattet werden soll. Schon jetzt greift das System auf eine aggregierte Datengrundlage zu, die Produktionsmengen, Lagerbestände, internationale Marktlagen und Lieferdynamiken miteinander verknüpft. Kritisch relevante Wirkstoffe – etwa Antibiotika für Kinder – lassen sich so in ihrer Versorgungslage bereits für die kommenden sechs Monate bewerten. Dabei zielt das System nicht ausschließlich auf bereits gemeldete Lieferengpässe ab, sondern soll – mit wachsender Datenqualität – auch ohne aktuelle Meldungen eine prospektive Risikoanalyse ermöglichen. Das BfArM spricht von einer „strukturierenden Zielarchitektur“, die für jedes Arzneimittel auf Knopfdruck das potenzielle Engpassrisiko sichtbar machen soll.

Parallel dazu versucht die Bundesregierung, durch regulatorische Eingriffe die Marktmechanismen robuster zu machen. Rabattverträge, die bisher oft zu Ein-Anbieter-Risiken geführt hatten, werden EU-weit ausgeschrieben, um mehr Anbieter einzubinden. Der Großteil der Lose sei inzwischen innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) vergeben, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Auch neue Lagerverpflichtungen zeigten laut BMG erste Wirkungen: Nach einer Einführungsphase sei inzwischen erkennbar, dass die Lieferkette belastbarer geworden sei – mit mehr vorrätiger Ware zur Kompensation kurzfristiger Engpässe.

Doch wie belastbar sind diese Aussagen tatsächlich? Auf eine kleine Anfrage der AfD hin verweist die Bundesregierung auf Marktdaten und Rückmeldungen von Beteiligten, bleibt jedoch konkrete Wirkungsnachweise vorerst schuldig. Zwei strukturierte Evaluationsberichte sind daher angesetzt: Der GKV-Spitzenverband soll bis Ende 2025 bewerten, ob die neuen Regeln zu nachhaltigen Verbesserungen in der Versorgung geführt haben. Parallel dazu wird das BfArM einen eigenen Bericht zu den Auswirkungen der Artikel 1 bis 4 des ALBVVG liefern, in dem insbesondere das Arzneimittelgesetz, das Sozialgesetzbuch V, das Apothekengesetz sowie die Apothekenbetriebsordnung im Fokus stehen. Arzneimittel, die unter die Aufsicht des Paul-Ehrlich-Instituts fallen, werden in diesen Bericht einbezogen – allerdings im Einvernehmen mit dem PEI.

Die Opposition kritisiert diesen Evaluationszeitplan scharf. AfD-Gesundheitspolitiker Martin Sichert sprach in einer Mitteilung von „verantwortungsloser Verzögerung“ und forderte Zwischenbewertungen sowie mehr Transparenz bei der Implementierung. Man könne nicht bis Ende 2025 warten, um zu bewerten, ob die Maßnahmen tatsächlich funktionierten – es brauche jetzt sichtbare Fortschritte. In der Sache jedoch stimmen viele Experten darin überein, dass insbesondere das Frühwarnsystem eine zentrale Voraussetzung für stabile Versorgungssicherheit ist. Seine Wirksamkeit hängt nicht nur von der technischen Funktionalität ab, sondern auch von der Bereitschaft der Akteure – Hersteller, Großhandel, Apotheken – zur vollständigen, präzisen und zeitgerechten Datenübermittlung.

Wie dringend das System gebraucht wird, zeigt ein Blick auf die aktuelle Statistik. Laut BfArM gingen die Lieferengpassmeldungen 2024 im Vergleich zum Vorjahr zurück: 892 Meldungen wurden registriert, im Vorjahr waren es noch 1.017. Für das laufende Jahr 2025 liegt die Zahl bei 362, wovon 128 als versorgungsrelevant und 55 als versorgungskritisch eingestuft wurden. Damit zeichnet sich zwar ein rückläufiger Trend ab, doch ist Vorsicht geboten: Die Meldezahlen sagen wenig über die tatsächliche Schwere oder geografische Streuung der Engpässe aus. Zudem ersetzt eine alternative Abgabe durch Apotheker – wie sie das ALBVVG vorsieht – nicht den Anspruch auf planbare Versorgung.

Der Fokus auf ein Frühwarnsystem markiert damit nicht nur eine technische Innovation, sondern einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen: weg vom Krisenmanagement, hin zu prospektiver Steuerung. Ob das System hält, was es verspricht, entscheidet sich in den kommenden Monaten – auch an seiner Fähigkeit, Akteure zu vernetzen, Signale präzise auszusteuern und Maßnahmen rechtzeitig anzustoßen. Die Datenplattform mag funktionieren – doch ohne gelebte Interoperabilität und politische Rückendeckung bleibt sie ein digitales Feigenblatt.

Chargenübermittlung braucht Struktur, Verblisterung braucht Sicherheit, Versorgungsapotheken brauchen Klarheit

Wie sich eine technische Lösung für E-Rezepte abzeichnet, Übergangsfristen regulatorisch drängen und warum der BVVA auf politische Ernte hofft

Im Schatten prominenter Reformdebatten, digitaler Transformationen und struktureller Finanzkrisen kämpft ein Bereich der Versorgung beständig um Sichtbarkeit: die heimversorgenden Apotheken mit patientenindividueller Verblisterung. Der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) hat auf seiner diesjährigen Jahrestagung in Mainz deutlich gemacht, dass die offenen Baustellen nicht kleiner geworden sind – im Gegenteil. Eine der drängendsten Fragen betrifft die technische Umsetzung der Chargenübermittlung beim E-Rezept für Blisterabgaben. Hier läuft eine Übergangsregelung zum 30. Juni aus, doch eine dauerhafte Lösung scheint nun zumindest in Reichweite.

Seit Monaten dürfen Apotheken, die individuell verblistern, anstelle der tatsächlich verwendeten Chargennummern im elektronischen Abgabedatensatz den Begriff „STELLEN“ eintragen – eine Notlösung, die aufgrund technischer Unzulänglichkeiten im System erlaubt wurde. Hintergrund ist, dass die Verblisterung nicht aus Originalpackungen, sondern aus Umverpackungen erfolgt, bei denen die eindeutige Dokumentation der Chargen bislang nicht zuverlässig möglich ist. Die Regelung war befristet und steht nun vor dem Auslaufen – was nicht nur abrechnungstechnische, sondern auch haftungsrechtliche Risiken nach sich ziehen könnte, sollte keine einvernehmliche Fortsetzung oder neue Regelung erfolgen.

BVVA-Vorsitzende Heike Gnekow betonte in Mainz, dass eine technische Lösung in Arbeit sei, deren Basis eine bereits existierende Ergänzungsvereinbarung zwischen BVVA, dem Bundesverband Patientenindividueller Verblisterer (BPAV) und der AOK bildet. Diese könne als Blaupause für eine breitere regulatorische Implementierung dienen. Noch allerdings fehlt die formelle Einigung mit dem GKV-Spitzenverband – Gespräche mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) laufen. Sollte keine rasche Vereinbarung zustande kommen, könnte eine bilaterale Verlängerung der Übergangsregelung notwendig werden. Gnekow äußerte sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss rechtzeitig gelingt. Für die Betriebe wäre ein erneutes regulatorisches Vakuum nicht nur ein bürokratischer Albtraum, sondern ein faktisches Abrechnungsrisiko.

In ihrer politisch-narrativen Rückschau zeichnete Gnekow die letzten zwölf Monate als einen symbolischen Jahreszeitenzyklus: Auf einen „eisigen Winter“, geprägt vom politischen Stillstand und dem Auftauchen des ApoRG-Referentenentwurfs, folgte nach dem Ampelbruch ein symbolischer Frühling. Mit dem Wechsel an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums – von Karl Lauterbach (SPD) zu Nina Warken (CDU) – sei auch die Gesprächsbereitschaft spürbar gestiegen. Auch wenn Warken fachfremd sei, stehe sie mit Tino Sorge und Georg Kippels zwei gesundheitspolitisch erfahrenen Staatssekretären zur Seite. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung erwähne die Apotheken detailliert – ein positives Signal, das Gnekow mit dem Bild „Vogelgezwitscher nach einem dunklen Winter“ umschrieb.

Doch das in Aussicht gestellte politische Tauwetter kann die strukturellen Probleme nur entschärfen, wenn es rasch zu konkreten Entscheidungen kommt – etwa zur strukturellen Integration der Verblisterung in den Regelbetrieb. Bislang fehlt nicht nur eine bundeseinheitliche digitale Abbildungsfähigkeit des Vorgangs in der Telematikinfrastruktur, sondern auch eine eindeutige rechtliche Stellungnahme zur Rezeptübertragung: Denn bei Rezepten für Heimbewohner gilt der direkte Weg von der Arztpraxis zur Apotheke als nicht zulässig. Stattdessen muss der Umweg über das Heim erfolgen – ein Umstand, den viele als absurde bürokratische Schleife betrachten, zumal er die Prozesse verlängert und die Fehleranfälligkeit erhöht.

Auch bei diesem Thema fordert der BVVA eine klare Lösung, denn die Unsicherheit hemmt die operative Effizienz der Apotheken. Besonders in Palliativ- oder Substitutionsversorgungen, in denen die zeitnahe Lieferung zentral ist, könne ein solches Hindernis fatale Versorgungslücken verursachen. Gnekow plädierte dafür, dass rechtssichere Klarstellungen nicht länger aufgeschoben werden dürfen – vor allem, da diese ohnehin nur bereits gelebte Praxis digital abbilden würden.

Eine zweite Forderung des Verbands: Die Verblisterung muss als entlastender Baustein im Kampf gegen den Pflegenotstand institutionell anerkannt und gezielt gefördert werden. Heimversorgung durch verblisterte Arzneimittel reduziert Pflegefehler, entlastet das Personal und sichert die Einnahmetreue – ein Nutzen, der angesichts der demografischen Entwicklung und des anhaltenden Fachkräftemangels im Pflegebereich von strukturellem Wert ist. Wer hier investiert, investiert nicht nur in Sicherheit, sondern in ein System mit Zukunft.

Wenn Gnekow von „Erntezeit“ spricht, meint sie nicht nur symbolisches Politikverständnis, sondern konkrete Fortschritte: technische Umsetzung der Chargenübermittlung, regulatorische Klarstellung zur Rezeptübertragung, Förderung der Verblisterung, rechtssichere Rahmenbedingungen für spezialisierte Versorgungsbereiche. Die in Mainz vorgestellte politische Chronik war dabei keine blumige Rückschau, sondern ein Appell an den Gesetzgeber, die Apotheken nicht nur rhetorisch im Koalitionsvertrag zu verankern, sondern strukturell zu stabilisieren – durch digitale Klarheit, praktikable Vorschriften und sektorenübergreifende Unterstützung.

Mit einem klaren Blick auf den kommenden politischen Sommer, den Gnekow als „heiß diskutierten“ Abschnitt prognostiziert, kündigte der Verband weitere Positionierungen an – insbesondere zur geplanten Apothekenreform, zu rechtssicheren Rahmenbedingungen für Spezialversorgungen und zur strukturellen Gleichstellung patientenindividueller Leistungen. Denn wenn die Reform nur auf Öffnungszeiten, Personalstruktur und Betriebsgrößen ziele, bleibe die heimversorgende Apotheke erneut unberücksichtigt – obwohl sie ein Rückgrat der pflegerischen Arzneimittelsicherheit darstellt.

Auch von anderer Seite wurde in Mainz Unterstützung signalisiert: Schamim Eckert, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, würdigte in ihrem Grußwort ausdrücklich die politischen Erfolge, die auf den entschlossenen Protestaktionen – insbesondere dem „hessischen Weg“ – fußen. Doch sie erinnerte ebenso daran, dass „Protest ohne Programm“ nicht tragfähig sei. Es brauche beides: Druck und konstruktive Umsetzungsvorschläge.

Damit ist die BVVA-Tagung mehr als eine Zwischenbilanz: Sie markiert eine strategische Weichenstellung für jene Apothekentypen, die häufig übersehen, aber zentral für die Versorgung sind. Eine Lösung für die Chargenübermittlung mag dabei nur ein technisches Detail sein – aber es ist eines mit systemischer Bedeutung.

Antipsychotika normalisieren Dopamin, provozieren Nebenwirkungen, verlieren Vertrauen

Warum Wirkstoffgruppen wirksam bleiben, Therapietreue scheitert und Beratung in der Apotheke entscheidend wird

Die Geschichte der Antipsychotika ist eine Geschichte der Wirkung – und des Widerstands. Seit der Entdeckung des Chlorpromazins in den 1950er Jahren haben antipsychotisch wirksame Substanzen das psychiatrische Behandlungsbild revolutioniert. Ihr gemeinsamer Nenner: eine antidopaminerge Wirkung, die den Neurotransmitter Dopamin in jenen Hirnarealen moduliert, in denen psychotische Positivsymptome entstehen – etwa Halluzinationen, Denkstörungen und Wahn. Doch obwohl alle modernen Antipsychotika in diesem Punkt vereint sind, bleiben ihre Images divergent – nicht wegen ihrer begrenzten Wirksamkeit, sondern wegen der Vielfalt und Schwere möglicher Nebenwirkungen. Zwischen therapeutischer Notwendigkeit, mangelnder Adhärenz, chronischen Verläufen und individualisierter Auswahlstrategie entsteht eine Dynamik, die nicht nur psychiatrisch, sondern auch pharmazeutisch und gesellschaftlich differenziert betrachtet werden muss.

Schizophrenien beginnen häufig im jungen Erwachsenenalter. Doch der weitere Verlauf ist kaum prognostizierbar. Während rund 20 Prozent der Betroffenen nur eine einzige psychotische Episode erleben und weitere 20 Prozent dauerhaft unter Symptomen leiden, liegt dazwischen ein breites Spektrum chronifizierender oder diskontinuierlicher Verläufe. Die Klassifikation in Positiv- und Negativsymptomatik – Halluzinationen, Denkzerfall, paranoide Wahninhalte auf der einen, Affektverflachung, Anhedonie und Antriebslosigkeit auf der anderen Seite – ist nicht nur klinisch bedeutsam, sondern maßgeblich für die Auswahl und Bewertung medikamentöser Therapien. Denn Antipsychotika wirken vorrangig gegen Positivsymptome, kaum gegen Negativsymptomatik. Diese strukturelle Schwäche hat Auswirkungen auf die Langzeitadhärenz.

Längst widerlegt ist indes die These vom verzögerten Wirkeintritt antipsychotischer Medikamente. Die Vorstellung, dass diese Präparate erst nach Wochen ihre volle Wirkung entfalten, hält sich hartnäckig – ist aber, wie Professor Stefan Leucht anhand umfassender Netzwerk-Metaanalysen darlegt, überholt. Der Effekt, so Leucht, beginnt häufig bereits in der ersten Woche, stabilisiert sich bis Woche vier und lässt in seiner Ausprägung früh erkennen, ob die gewählte Substanz wirken wird. Das bedeutet: Eine Umstellung ist gerechtfertigt, wenn binnen 14 Tagen keine Besserung eintritt oder eine Verschlechterung auftritt. Gleichwohl bleibt der vollständige therapeutische Effekt oft ein Langstreckenlauf, der sich über Monate erstrecken kann.

Die größte Herausforderung liegt nicht in der Unwirksamkeit der Substanzen, sondern in ihrer Annahme durch die Patienten. Antipsychotika gelten – trotz ihrer Evidenz – als unbeliebt. Gründe dafür sind nicht allein in psychosebedingter Krankheitsuneinsicht zu suchen, sondern im Nebenwirkungsprofil: Gewichtszunahme, Bewegungsstörungen, Hyperprolaktinämie, kognitive Einschränkungen oder sexuelle Funktionsstörungen. Diese Effekte variieren je nach Wirkstoffgruppe, Dosierung, individueller Konstitution und Komorbidität. Die Differenzierung in typische und atypische Antipsychotika bleibt dabei therapeutisch relevant, wird aber zunehmend durch individualisierte Entscheidungstools ersetzt. Mit dem sogenannten Shared Decision Making Assistant (SMDA) wird versucht, die Therapieauswahl gemeinsam mit den Betroffenen zu treffen – evidenzbasiert, digital unterstützt, partizipativ.

Dabei spielt die Frage nach Subgruppen eine zentrale Rolle. Kinder und Jugendliche, bei denen eine Frühintervention besonders entscheidend ist, erhalten in der Regel nebenwirkungsgeleitete Therapien – mit deutlicher Reduktion dopaminerger Wirkstoffspitzen. Ältere Patienten wiederum profitieren von niedriger dosierten Präparaten mit geringem metabolischem Risiko. Auch Komorbiditäten wie Substanzabhängigkeit oder depressive Verstimmung beeinflussen die Auswahl. Cariprazin – ein partieller D3-Agonist – und niedrig dosiertes Amisulprid haben sich bei überwiegender Negativsymptomatik als besonders wirksam erwiesen. Bei Therapieresistenz bleibt Clozapin Goldstandard – trotz seiner schweren Nebenwirkungen und der Notwendigkeit engmaschiger Blutbildkontrollen.

Ein besonderes Augenmerk gilt der Rückfallprävention. Hier zeigt sich das langfristige Potenzial der Antipsychotika in beeindruckender Klarheit: Patienten, die die Medikation dauerhaft einnehmen, erleben deutlich seltener Rezidive als jene, die sie absetzen. Als Faustregel empfiehlt Leucht bei Ersterkrankten eine mindestens ein- bis zweijährige Einnahmedauer, bei Mehrfacherkrankten mindestens fünf Jahre. Dennoch ist das Rückfallrisiko nach dem Absetzen auch dann signifikant erhöht. Rund 20 Prozent der Patienten bleiben nach dem Absetzen rückfallfrei – eine Zahl, die zur Diskussion um eine individualisierte Reduktion oder den vollständigen Verzicht auf Antipsychotika nach längerer Stabilität beiträgt.

Ein Lösungsansatz für das Adhärenzproblem liegt in der galenischen Formulierung. Depot-Antipsychotika – sogenannte Long Acting Injectables (LAI) – übertreffen orale Präparate in ihrer Rückfallprophylaxe, schlicht weil sie die regelmäßige Einnahme sichern. In Studien zeigt sich eine drastisch verringerte Rezidivrate – insbesondere bei Patienten mit mangelnder Krankheitseinsicht oder multiplen Therapieabbrüchen. Doch auch hier gilt: Die Akzeptanz der Injektion muss erarbeitet werden. Es braucht eine intensive Aufklärung, engmaschige Begleitung und, wie Moderator Dr. Christian Ude auf dem Pharmacon-Kongress betonte, auch eine aktive Rolle der Apotheke. Die Apothekerinnen und Apotheker können und sollen – so Leucht – zur Adhärenzförderung beitragen, etwa durch Medikationsanalysen, Begleitgespräche oder das Monitoring von Wechselwirkungen.

Die Herausforderung liegt also nicht in der Entwicklung neuer Wirkstoffe, sondern in der intelligenten Nutzung bestehender Evidenz, der passgenauen Anwendung bei Subgruppen, der präventiven Orientierung und der aktiven Beteiligung aller Versorgungsakteure – Psychiatrie, Hausärzte, Apothekerschaft, Angehörige und Patienten gleichermaßen. Denn wirksam sind Antipsychotika zweifellos – doch ihre Akzeptanz entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Behandlung.

Apotheker sichern Medikationsprozesse, entschärfen Lieferrisiken, korrigieren Systemfehler

Wie pharmazeutische Expertise Leben schützt, Spontanberichte die Arzneisicherheit stützen und Patientenschutz zur Führungsaufgabe wird

Inmitten zunehmender Versorgungsengpässe, steigender Verwechslungsgefahren und wachsender Unsicherheit im Umgang mit Arzneimitteln tritt eine oft unterschätzte Instanz täglich in den Dienst des Patientenschutzes: die öffentliche Apotheke. Längst sind pharmazeutische Teams nicht mehr nur Schnittstelle zwischen Rezept und Patient, sondern systemrelevante Akteure in einem fragmentierten Sicherheitsnetz, das unter strukturellem Druck ächzt. Professor Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel bei der ABDA, brachte diese Rolle auf den Punkt: »Die Patientensicherheit ist der ultimative Grund, warum wir Apotheker da sind.« Dieser Satz ist kein Pathos, sondern Realität – getragen von den täglichen Spontanberichten an die Arzneimittelkommission (AMK), der stillen Intervention bei Medikationsfehlern und der konstruktiven Problemlösung bei unzureichender Arzneimittelverfügbarkeit.

Das 50-jährige Bestehen der AMK markiert nicht nur ein Jubiläum, sondern erinnert eindrücklich daran, wie unverzichtbar Apotheken im nationalen Pharmakovigilanzsystem verankert sind. Die Pflicht zur Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen, Medikationsfehler und Qualitätsmängel ist dabei mehr als bürokratische Vorschrift – sie ist Ausdruck eines professionellen Selbstverständnisses, das sich dem Schutz der Patienten verpflichtet. Schulz fragt zu Recht: »Wie viele Probleme entstehen durch Lieferengpässe – und wie viele entstehen nicht, weil Apotheker sie verhindern?«

Diese rhetorische Zuspitzung verweist auf eine paradoxe Realität: Gerade weil Apotheken so viele Risiken abfedern, erscheinen diese Risiken in der Statistik oft nicht. Doch in der Praxis häufen sich Beispiele für gefährliche Fehlmedikation. Die Verwechslung von Cecenu® (Lomustin) und CEC® (Cefaclor), die irrtümliche Einnahme ganzer Blisterverpackungen, die orale Dosierung von Antibiotika-Trockensäften ohne Auflösung – all das ist keine Theorie, sondern dokumentierte Realität. Und gerade deshalb forderte Schulz mit Nachdruck: »Gehen Sie nie davon aus, dass Patienten mit Arzneimitteln das tun, was sie tun sollen.« Die notwendige Korrektur dieser realitätsfernen Annahme ist keine medizinische, sondern eine kommunikative – und damit eine Aufgabe der Apotheke.

Besondere Brisanz erhält diese Verantwortung bei Hochrisikomedikationen. Methotrexat steht hier exemplarisch: Als wöchentlich zu dosierendes Zytostatikum führt eine tägliche Einnahme schnell zu lebensbedrohlichen Überdosierungen. Die Folge sind Todesfälle, die durch einen klaren Hinweis zum Einnahmetag vermeidbar gewesen wären – ein kurzer Satz mit potenziell lebensrettender Wirkung. Wer in der Apotheke arbeitet, trägt hier keine Zusatzlast, sondern Grundverantwortung. Das gilt auch für institutionelle Patienten, etwa in Pflegeheimen, bei denen der Medikationsprozess mit dem Pflegepersonal abgestimmt werden muss.

Doch die Fehlerquellen sind nicht auf Patientenhand beschränkt. Verpackungsdesigns, Produktbezeichnungen und Darreichungsformen liefern ein gefährliches Arsenal an Missverständnissen. Look-alike/ Sound-alike-Verwechslungen wie zwischen Levetiracetam und Levocetirizin oder Clobazam und Clonazepam machen deutlich, dass pharmazeutische Expertise kein dekorativer Faktor ist, sondern ein regulatorisches Gegengewicht gegen Systemlücken. Die Abgrenzung zwischen Qualitätsmängeln und Medikationsfehlern erfordert ein geübtes Auge – und die Fähigkeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Fremdkörper in Tabletten, defekte Flaschen oder nicht zu öffnende Kanülen sind keine Kuriositäten, sondern Störfälle im Arzneimittelprozess, die Patienten direkt gefährden können.

Gerade die Lieferengpässe machen diese strukturellen Schwächen sichtbar. Nicht nur die Verfügbarkeit leidet, sondern auch das Vertrauen: Die Patienten erhalten Medikamente mit fremdsprachiger Verpackung, mit verlängerten Haltbarkeiten, ohne Dosierhilfen oder ohne korrekte Markierungen zur Rekonstitution. Was eigentlich zu Rückrufen führen müsste, wird unter der Hand pragmatisch „repariert“ – durch die Apotheke. Hier kippt die Verantwortung vom Hersteller auf den Letztabgeber, der nicht nur informiert, sondern faktisch korrigiert, modifiziert und abwägt. »Letztlich lösen Apotheken dieses Problem für die Patienten«, so Schulz.

Diese verschobene Verantwortung ist ein systemischer Alarm. Denn sie zeigt, wie stark der Patientenschutz inzwischen auf der untersten Versorgungsstufe lastet. Was als punktuelle Abweichung begann – etwa beschädigte Dichteinlagen, austauschpflichtige Hilfsstoffe oder der Import ausländischer Präparate – droht zum Regelfall zu werden. Die Diskussion um fluorierte Treibgase, Titandioxid oder das Umweltproblem Metformin lässt erahnen, wie viele Präparate in Zukunft neu formuliert werden müssten – ein Kraftakt, der für viele Generikahersteller kaum zu leisten ist. Was wiederum heißt: Noch mehr Verantwortung für Apotheken, noch mehr Unsicherheit für Patienten.

Was bedeutet das für die Zukunft? Patientenschutz ist kein Nebenprodukt der Arzneimittelabgabe – er ist deren zentrales Ziel. Doch die Instrumente dafür müssen gestärkt werden: Verbindlichere Kennzeichnungssysteme, bessere Kommunikation mit der Industrie, ein transparenteres Meldesystem bei Qualitätsmängeln – und vor allem: eine politische Anerkennung der Rolle, die Apotheken heute real einnehmen. Wer Medikamentensicherheit sagt, muss auch Apothekenvergütung neu denken. Denn Sicherheit hat ihren Preis – und ihren Ort: hinter dem Handverkaufstisch.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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